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Big Data treibt die Energiewende voran

Selbstlernende Algorithmen sollen die Energieflüsse im Stromnetz genauer vorhersagen (Foto: Gina Sanders/Fotolia)

Mit verbesserten selbstlernenden Algorithmen wollen Wissenschaftler des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) künftig ein umfassenderes Abbild der Energieflüsse im Stromnetz erstellen. Im Februar 2017 ist dazu ein großes Forschungsprojekt angelaufen. Die Algorithmen sollen den Bedarf der Verbraucher und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien genauer vorhersagen. Für die Verbesserung der Einspeiseprognosen kommen auch Satellitendaten zum Einsatz. Die Ergebnisse der Forschungen werden im Netz von Energieversorgern getestet und weiterentwickelt.

Im deutschen Stromnetz mit seinem hohen Anteil erneuerbarer Energien ist ein möglichst vollständiger Überblick über die Energieflüsse nötig, damit die Stromversorgung kostengünstig und weiterhin zuverlässig erfolgen kann. Genaue Vorhersagen von Energieströmen bis in die Verteilnetze sind auch Bedingung für neue Geschäftsmodelle von Energiedienstleistern und einen intelligenten Netzbetrieb.

Die ZSW-Forschungsarbeiten zur exakten Beschreibung der aktuellen und zukünftigen Energieflüsse erfolgen im Rahmen des auf vier Jahre angelegten Projekts C/sells. Im Gesamtprojekt C/sells wird der technische und wirtschaftliche Betrieb von Energienetzen mit sehr hohem Anteil an Solarenergie in 46 Beispielregionen und Quartieren (Zellen) in Süddeutschland optimiert. Beteiligt sind die Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW und TenneT, Verteilnetzbetreiber, Stadtwerke, Energie- und Softwaredienstleister sowie Forschungsinstitute. C/sells wird im Rahmen der „Initiative Schaufenster intelligente Energien – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) vom Bundeswirtschaftsministerium mit rund 50 Millionen Euro gefördert. Das gesamte Projektvolumen der 42 Partner beträgt rund 100 Millionen Euro.

Im Stromnetz müssen Einspeisung und Verbrauch stets im Gleichgewicht gehalten werden. Bei zentraler Einspeisung durch einen jederzeit regelbaren Kraftwerkspark ist diese Aufgabe leicht zu lösen; die Einspeisung wird am Verbrauch ausgerichtet. Bei zunehmend dezentraler Einspeisung aus den fluktuierenden Quellen Sonnen- und Windenergie ist dagegen ein lokal aufgelöstes Bild der Energieflüsse notwendig.

Die Prognosen der Einspeiseleistung in das Netz sind derzeit räumlich noch nicht ausreichend aufgelöst und in einigen Wettersituationen zu ungenau. Auch wird der Verbrauch von Haushalten und kleineren Gewerbebetrieben nur in Form von Standardlastprofilen geschätzt. Die Schätzungen geben aufgrund der Veränderungen im Nutzerverhalten der vergangenen Jahre aber nicht mehr ausreichend die Realität wieder.

Hinzu kommen seit Kurzem Prosumenten, die Strom nicht nur erzeugen, sondern auch selbst verbrauchen. Allein in Süddeutschland gibt es inzwischen rund 800.000 von ihnen. Eine genaue Vorhersage ihres Verhaltens ist ebenfalls wünschenswert. Bessere Vorhersagen von Einspeisung und Verbrauch führen dazu, dass weniger fossile Kraftwerke für Regelenergiedienstleistungen bereitgehalten werden müssen. Das senkt die volkswirtschaftlichen Kosten und trägt zu einem stabileren Betrieb bei.

Neue intelligente Verfahren sollen nun die Energieflüsse im Stromnetz genauer beschreiben: Big Data hält Einzug in die Energiewende. Das ZSW entwickelt derzeit mithilfe leistungsfähiger Rechnerplattformen auf der Basis von Grafikkarten-Clustern moderne Methoden zur Verbesserung der Hochrechnung des Ist-Zustands mit hoher regionaler Auflösung und zur Prognose zukünftiger Netzzustände und Energieflüsse.

„Die neuen Verfahren analysieren große, komplexe Informationsmengen und sollen mit einer Vielzahl von Anlagendaten, historischen Umgebungsdaten und Messdaten sowie Satellitendaten umgehen können“, erklärt Dr. Jann Binder, Leiter des Fachgebiets Photovoltaik: Module Systeme Anwendungen am ZSW. Aus dem Datenberg filtern sie selbstständig wesentliche Merkmale heraus, die für die Prognose wichtig sind: jene Faktoren, die die zu erwartende Stromernte der Ökostromanlagen und die Stromlast der Verbraucher beeinflussen. Die Verfahren werden daher auch selbstlernende Algorithmen genannt. „Ziel ist, Daten in einer Form und Güte zu liefern, die über derzeit kommerziell verfügbare Produkte hinausgehen“, so Binder weiter.

Weitere Informationen: www.zsw-bw.de