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Baubeginn für zwei energieautarke Mehrfamilienhäuser mit Pauschalmiete und Energie-Flatrate für ein ganzes Jahrzehnt

In Cottbus baut die Wohnungsgenossenschaft eG Wohnen zwei energieautarke Mehrfamilienhäuser, die sich selbst mit Wärme, Strom und Elektromobilität aus der Sonne versorgen. Die Mieter sollen eine über zehn Jahre garantierte Pauschalmiete inklusive Energie-Flatrate für Wärme und Strom erhalten.

Wenn im Frühjahr die Jahresabrechnungen der Energieversorger und Vermieter eintreffen, ist es für die Mieter immer ein banger Moment. Steht eine hohe Nachzahlung an, oder gibt es etwas zurück? Letzteres ist wenig wahrscheinlich, für viele stellt sich eher die Frage: Soll ich den Stromanbieter wechseln, und wie kann ich Heizkosten sparen? Längst schon gelten die permanent steigenden Nebenkosten als zweite Miete.

In Cottbus plant die Wohnungsgenossenschaft eG Wohnen nun laut eigener Aussage eine Revolution im Wohnungsmarkt. Sie will den Mietern von zwei neuen energieautarken Mehrfamilienhäusern das alljährliche Bangen ersparen und ihnen stattdessen eine auf zehn Jahre garantierte Pauschalmiete bieten – inklusive einer Energie-Flatrate für Wärme und Strom. Möglich machen sollen dies große Solarwärme- und Solarstromanlagen sowie Langzeitenergiespeicher.

Das energetische Grundkonzept der Gebäude geht auf das Sonnenhaus-Konzept zurück. Bei Sonnenhäusern werden mindestens 50 Prozent des Wärmebedarfs mit Solarenergie gedeckt. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden weit über 2.000 dieser weitgehend solar beheizter Häuser gebaut. Die Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie gewerblich genutzten Gebäude stehen in Deutschland, Österreich, Südtirol und in der Schweiz.

Der Freiberger Honorarprofessor und Experte für Solartechnik Timo Leukefeld hat den bewährten Ansatz des Sonnenhaus-Instituts zum Konzept der „vernetzten energieautarken Gebäude“ weiterentwickelt. Er hat bereits mehrere vernetzte energieautarke Gebäude geplant und lebt und arbeitet selbst in zweien. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Konzept funktioniert“, sagt Leukefeld.

Er hat aber auch schon mehrjährige wissenschaftliche Vermessungen vorliegen, die bestätigen, dass die von ihm geplanten Daten nahezu identisch eingetreten sind. Im thüringischen Schmölln baut die VR-Bank Altenburger Land mit seiner Unterstützung gerade ein energieautarkes Einfamilienhaus, das demnächst bezugsfertig sein wird. In Cottbus entstehen nun die ersten vernetzten energieautarken Mehrfamilienhäuser nach dem Konzept von Timo Leukefeld.

Das Prinzip ist denkbar einfach: Mit großen Solarwärme- und Solarstromanlagen auf den nach Süden gerichteten Dachflächen und an den Fassaden werden hohe Autarkiegrade in der Wärme- und Stromversorgung erreicht. Strom und Wärme, die gerade nicht benötigt wird, kann in Langzeitenergiespeichern für den späteren Verbrauch zwischengespeichert werden. In Cottbus sollen 60 bis 70 Prozent des Energiebedarfs für Elektrizität und die Heizung mit kostenfreier Solarenergie erzeugt werden. Damit werden die Energiekosten 60 Prozent unter den Kosten liegen, die bei Gebäuden mit Passivhaus-Standard für Wärme und Strom anfallen würden.

Die Kosten für die Restenergiemenge sind gut planbar, deshalb kann der Vermieter eine Pauschalmiete anbieten. „Das ist das Prinzip der Nahe-Null-Grenzkosten“, erklärt Timo Leukefeld, der das Energiekonzept für die eG Wohnen geplant hat. Er berät die größte Wohnungsgenossenschaft Brandenburgs auch bei der Umsetzung. „Zu Anfang ist die Investition höher, dafür sind die Energiekosten in der Zukunft aber gleich abgedeckt.“

Im Frühjahr ist Spatenstich für die beiden Mehrfamilienhäuser mit jeweils sieben Wohnungen. „Der Gedanke passt gut in unsere Genossenschaft“, sagt Uwe Emmerling, Vorsitzender der eG Wohnen. Laut Satzung hat diese den Auftrag der „guten, sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung“ für ihre Mitglieder. „Wir wollen Mehrwert für unsere Bewohner schaffen und eine hohe Lebensqualität erzeugen, die nicht auf einer extremen Technisierung und Regeln für das Verbrauchsverhalten im Haus beruht“, ergänzt Emmerling. Die eG Wohnen sei Innovationen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen und habe beispielsweise auch schon Passivhäuser und Holzhäuser gebaut.

„Die Leute können sich bewegen, wie sie wollen und brauchen sich nicht an die Technik anzupassen“, benennt Leukefeld einen wesentlichen Vorteil des solaren Baukonzeptes. „Sie können die Solarenergie intelligent verschwenden, ohne horrende Nebenkostenrechnungen befürchten zu müssen.“ Dafür werden einige „energetische Sicherungen“, wie Leukefeld es nennt, eingebaut. So wird beispielsweise die sehr gut dämmende Gebäudehülle den Wärmebedarf auf ein Minimum reduzieren.

Und der Geschirrspüler wird an das warme Wasser, das größtenteils von Solarenergie erwärmt wird, angeschlossen. „Das spart bis zu 80 Prozent Stromkosten und der Geschirrspüler kann bedenkenlos und häufig benutzt werden, ohne dass die Energiebilanz verhagelt wird“, erläutert Leukefeld.

Emmerling beschäftigt sich derzeit noch mit der Pauschalmiete. Sie soll um die 10,50 Euro betragen. „Es ist unser Ziel, über eine Pauschalmiete zu arbeiten und die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten“, sagt er. Vorher seien aber noch einige rechtliche Vorgaben zu erfüllen, die sich zum Beispiel aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz, dem Energiewirtschaftsgesetz und dem Mietrecht ergeben.

Auch einen Energieversorger will er noch mit ins Boot holen. Das ist ein weiteres Prinzip der vernetzten energieautarken Gebäude, wie Leukefeld sie konzipiert. Energieversorger sollen die großen Speicher nutzen können, um überschüssigen Wind- und Solarstrom in Form von Wärme oder Strom zu speichern und bei Bedarf wieder zu entnehmen. „Auf die Weise profitieren nicht nur die Bewohner und die Vermieter von dem Energiekonzept, sondern auch die Allgemeinheit. Wenn lokale Speicherkapazitäten genutzt werden, sinkt der Bedarf für den Ausbau des öffentlichen Stromnetzes.“

Uwe Emmerling will dazu gern beitragen. „Es soll ein Mehrfachprojekt werden“, weiß er schon jetzt. Wenn das Pilotprojekt ein Erfolg wird, wovon er überzeugt ist, will die Genossenschaft noch mehr solcher Mietshäuser bauen. Die Revolution im Wohnungsmarkt hat gerade erst begonnen.

Weitere Informationen: www.eg-wohnen.de