ArtikelBau/Sanierung

Anspruchsvolle Nachverdichtung

Autor/Redakteur: Peter Gahr/gg

Im Wohnungsbau sind natürliche Baustoffe, Nachhaltigkeit sowie Ressourcenschonung heute beherrschende Themen. Zudem werden ein hoher Energiestandard, guter Schallschutz sowie Druckfestigkeit der Mauerwerksbaustoffe gefordert. All diesen Ansprüchen mit einem Baustoff gerecht zu werden, ist möglich, wie ein neues Mehrfamilienhaus in München-Sendling zeigt. Bauherr und Planer setzten dabei auf Mauerziegel aus der Region, denn der Münchner Norden ist mit reichhaltigen Lehmböden gesegnet. So war es naheliegend, auch im Süden der Metropole massiv zu bauen.

Massives Mehrfamilienhaus mit zwei ungleichen Hälften: Das Gebäude aus massivem Mauerwerk im Münchner Bezirk Sendling genügt hohen energetischen Ansprüchen. So wird die linke Hälfte dem KfW-Effizienzstandard 55 gerecht, die rechte dem Neubaustandard. (Quelle: Unipor, München)

Sendling ist ein weit über die Stadtgrenzen bekannter Bezirk Münchens. Vielleicht wegen der historischen „Sendlinger Mordweihnacht“. Heute findet man dort vornehmlich gute Architektur, wie zum Beispiel das berühmte Postamt der bayerischen Fachplaner Robert Vorhoelzer und Robert Schnetzer. Dies gilt jedoch nicht für die am Rande des Bezirks liegende Kistlerhofstraße. Wie mit einem Schwert teilt sie das Stadtviertel in zwei Hälften. Im Süden liegt eine Einfamilienhaussiedlung aus den 60er-Jahren, nördlich reihen sich in wilder Abfolge unterschiedliche Bauformen aneinander: kleine Wohnhäuser, dazwischen geschoben monströse Büro- und Verwaltungsbauten, in der zweiten Reihe hat sich das Gewerbe eingenistet – ein durchaus schwieriges Umfeld also für das neue Wohnhausprojekt.

Doch rund um die Hausnummer 110 ist das Bild ein wenig anders: Hier kann man durchaus städtisches Wohlbefinden entwickeln. Der Neubau des Mehrfamilienhauses sitzt also an der richtigen Stelle in der Kistlerhofstraße. Er befindet sich etwa in der Mitte des knapp zwei Kilometer langen Straßenzuges, direkt gegenüber einer großen Einfamilienhaussiedlung. Versteckt gelegen in der zweiten Reihe, gefällt das Gebäude besonders mit seiner streng geometrischen und unaufdringlichen Gestaltung. Ein wenig fühlt man sich nach Italien versetzt: Das auf dem zurückgeschobenen Terrassengeschoss liegende flache, mediterran anmutende Walmdach erinnert auf den ersten Blick ein wenig an eine südländische Stadtvilla. Der Zugang dazu führt linkerhand an einem alten traufständigen, zweistöckigen Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss vorbei. Rechts steht ein vor kurzem fertiggestellter Wohnbau, dessen zurückhaltende Ausgewogenheit guttut.

Bei der Gebäudeplanung wurden das architektonische Umfeld sowie die direkte Nachbarschaft mit in den Blick genommen. Wichtiger jedoch waren die baulichen Ansprüche, die es zu erfüllen galt. Ein WDV-System stand von vorneherein für Planer und Generalunternehmer nicht zur Diskussion. Dies wiedersprach ihren baubiologischen Vorstellungen sowie ihrer Zielsetzung, ein nachhaltiges Gebäude zu schaffen. So entschieden sich der Bauträger Bihler Bau GmbH (Bad Wörishofen) und das Architekturbüro Manfred Vogel für ein monolithisches Mehrfamilienhaus aus Mauerziegeln. Hochwertiger Wohnungsbau ist für die Firma Bihler „täglich Brot“. Mit Ausnahme der Entwurfs- sowie Werkplanung übernahm sie die gesamte Projektierung inklusive gebäudetechnischer Ausrüstung und statischer sowie wärmetechnischer Berechnung. Die Entwurfs- und Werkplanung leistete das Münchner Architekturbüro.

Durch eine Kommunwand strikt voneinander getrennt umfasst der Neubau nun vier in sich geschlossene Wohneinheiten auf der einen und sechs auf der anderen Seite. Beide Hälften verfügen über ein Treppenhaus mit Lift. Der Aufbau gab für die Außen- und Innenwände bautechnisch das „Komplettprogramm“ vor: Neben Wärmeschutz ist hoher Schallschutz gefordert – zwischen den Wohneinheiten selbst sowie zum Treppenhaus hin. Die linke Haushälfte wurde nach KfW-Energieeffizienzstandard 55 ausgeführt, die rechte im Neubaustandard – wobei ihre energetischen Werte nahezu des Ersteren entsprechen. Mit dem „Unipor WS09 Coriso“ und „Unipor WS10 Coriso“-Mauerziegel wählte der Bauträger für das Projekt ein ihm bekanntes Produkt. In den letzten Jahren hatte er bereits häufig mit dem massiven Wandbaustoff gebaut. Angeliefert wurden sämtliche Mauerziegel für das Bauvorhaben von Hörl & Hartmann Ziegeltechnik, einem Mitgliedswerk der bundesweiten Unipor-Gruppe, das im nahegelegenen Dachau ansässig ist.

Die mineralisch gefüllten Coriso-Ziegel eignen sich gut für die Umsetzung der vielfältigen Ansprüche an das Mehrfamiliengebäude. Sie bieten in Sachen Wärme- und Schallschutz Topwerte. Zudem erreichen sie über speziell ausgeprägte, diagonal verlaufende Stege an den Außen- und Innenseiten eine sehr hohe Quersteifigkeit. Diese sowie die hiermit verbundene Druckfestigkeit ermöglichte es, das Außenmauerwerk zu knapp 90 Prozent rein aus Mauerziegeln zu fertigen. Nur vereinzelt setzten die Planer aus statischen Gründen Stahlbeton als Verstärkung ein. Ein mehrheitlich aus Mauerziegeln bestehendes Tragwerk ist bei solch großen Fensteröffnungen, wie sie im Neubau mit der Hausnummer 110 verbaut sind, kein Standard. Für die Überbrückungen verwendete die Firma Bihler dennoch vorgefertigte Ziegelstürze aus WU-Schalen, sodass der Außenputz nahezu durchgängig auf einem Ziegeluntergrund sitzt. Dieses Bauteil punktet mit besonderer Wärmedämmung, wie das „W“ im Produktnamen zeigt. Die in der Außenseite des Vergusssturzes integrierten Hohlkammern verleihen den WU-Schalen ihre guten Dämm-Eigenschaften. Mit einer Wanddicke von 36,5 Zentimetern und einer Putzstärke von zwei Zentimetern erreicht das Außenmauerwerk so einen U-Wert von 0,23 (W/m2K). Zusammen mit einer hochwertigen dreifachen Isolierverglasung von Fenstern und Türen setzte die Gebäudehülle die Grundlage für den errechneten Jahresheizwärmebedarf von 35.933 kWh/a.