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Der hydraulische Abgleich – ein unterschätztes Instrument zur effizienten Wärmeregulierung

Autor/Redakteur: Martin Palsa, Senior Vice President & Geschäftsführer Grundfos Deutschland/gg

Spätestens seit letztem Herbst sind Energiesparmaßnahmen in aller Munde. Stark gestiegene Energiepreise und Heizkosten lassen Hauseigentümer und Mieter nach Wegen suchen, um mit relativ geringen Investitionen möglichst viel Energie und Kosten einzusparen. Mit dem gesellschaftlich wie politisch kontrovers diskutierten Gebäudeenergiegesetz (GEG), welches voraussichtlich noch im September vom Bundestag beschlossen wird, gewinnen niedriginvestive Maßnahmen bald noch einmal an Bedeutung. Denn durch die Novelle des GEG soll der hydraulische Abgleich (HA) von Heizungsanlagen bald verpflichtend vorgeschrieben werden. Die gesetzliche Neuerung wird den Herausforderungen der gegenwärtigen Energiekrise allerdings bei Weitem nicht gerecht.

Bild: Grundfos Deutschland

Vergeudung von Einsparpotenzialen inmitten der Krise

Im aktuellen Gesetzentwurf gilt die Verpflichtung zum hydraulischen Abgleich nur für Gebäude, in denen eine Heizungsanlage zum Zweck der Inbetriebnahme neu eingebaut oder aufgestellt wird. Zudem bezieht sich die Neuerung lediglich auf Gebäude mit mindestens sechs Wohn- oder Nutzungseinheiten. Gleichzeitig räumt der Gesetzgeber ein, dass durch den HA in Verbindung mit weiteren Optimierungsmaßnahmen ein Einsparungspotenzial von bis zu 8 kWh pro Quadratmeter – also bis zu zehn Prozent – vorhanden sei. Das würde im Alltag enorme Preiseinsparungen für Gebäudebesitzer und Mieter – auch von kleineren Gebäuden und Wohneinheiten – bedeuten. Denn praktisch bietet jedes Gebäude, das über eine Wasserleitung mit einem Rohrsystem verfügt, die Möglichkeit für einen HA. Experten und Branchenvertreter sehen darin daher eine unnötige Vergeudung von Energieeinsparpotenzialen. In diesem Zuge verweist die Regierung wiederum auf die begrenzte Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften. Hier gilt es jedoch zu differenzieren, denn für schnell umsetzbare Maßnahmen liegen mehr Kapazitäten bereit als für aufwendigere, wie den Einbau von Wärmepumpen. Die Ausweitung der Vorgaben auf bestehende Gebäude könnte dabei nicht nur die Betriebskosten für einen Großteil der Eigentümer und Mieter, sondern auch den Energieverbrauch zügig verringern, wodurch ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung der Energieverschwendung in Deutschland geleistet würde. Gerade in Zeiten einer Energiekrise stellt der HA eine Entlastung für Bürger und Unternehmen dar, die durch niedriginvestive Maßnahmen ihren Energieverbrauch senken möchten.

Was ist ein hydraulischer Abgleich?

Generell handelt es sich bei einem hydraulischen Abgleich um ein Verfahren, das eine optimale Verteilung der Volumenströme in einer Heizungsanlage sicherstellt. Das Ziel besteht darin, die erforderliche Leistung zu berechnen und die Heizkörper richtig einzustellen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle Heizungsanlagen gleichmäßig und zeitgerecht mit den erforderlichen Volumenströmen versorgt werden. So soll eine effiziente Wärmeverteilung im Gebäude gewährleistet werden, denn in der Regel existieren in jedem Gebäude mehrere Heizkörper, die unterschiedlich weit vom Heizkessel beziehungsweise von der Pumpe entfernt sind. Dadurch herrschen unterschiedliche physikalische Bedingungen (wie zum Beispiel Rohrdurchmesser, Schwerkraft und so weiter), denen das Wasser auf dem Weg zum Heizkörper entgegenwirken muss.  Dadurch kann es passieren, dass Räume, die weiter vom Heizkessel entfernt sind, nicht genug Heizwasser erhalten, während in Räumen, die sich in der Nähe des Heizkessels befinden, zu viel Wasserdruck herrscht. Dies hat zur Folge, dass das Thermostatventil nicht ordnungsgemäß arbeiten kann. Bei einer nicht hydraulisch abgeglichenen Heizungsanlage wird die Wärme folglich ungleich im Gebäude verteilt. Dadurch entstehen nicht nur unangenehme Raumtemperaturen, sondern es kommt auch zu einem höheren Energieverbrauch. Mit Hilfe des HAs kann gewährleistet werden, dass jeder Heizkörper genau die Wassermenge erhält, die er benötigt. Trotz der eindeutigen Vorteile wird der HA bislang jedoch nur unzureichend genutzt.

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Ungenutztes Potenzial

Laut einer Analyse der gemeinnützigen co2online GmbH, bei der Daten von über 60.000 Gebäuden ausgewertet wurden, sind 80 Prozent aller deutschen Wohngebäude nicht bestmöglich abgeglichen, und das obwohl bundesweite Förderprogramme existieren. Von August 2016 bis einschließlich April 2022 wurden insgesamt über 88.000 HAs staatlich gefördert. Zurzeit können Eigentümer bei ihrem Pumpentausch vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bei einer Mindestinvestition von 300 Euro einen Zuschuss von 15 Prozent erhalten. Berechnungen von co2online zufolge könnten in Deutschland allein durch die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs zirka 5,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.

Die Vorteile des hydraulischen Abgleichs im Überblick

Die Vorteile des hydraulischen Abgleichs sind vielseitig und sind immer vom Einzelfall abhängig, Gebäudetyp und installierte Heizungsanlage spielen eine entscheidende Rolle. Dennoch lässt sich festhalten, dass durch den HA alle Räume des Gebäudes effizient und ohne Strömungsgeräusche beheizt werden können. Darüber hinaus verbessert sich die Funktion der Thermostatventile, was die Kontrolle der Raumtemperatur erleichtert. Gleichzeitig führt der HA in vielen Fällen zu einer höheren Energieeffizienz der Heizungsanlage, was langfristig und je nach Gebäudetyp unterschiedliche hohe Kosteneinsparungen ermöglicht. Zudem verbraucht eine Pumpe nach einem korrekten HA in der Regel weniger Strom und ein Brennwertkessel weniger Gas und Heizöl. Das Energieeinsparpotenzial, das durch einen hydraulischen Abgleich erreicht werden kann, liegt in der Regel zwischen fünf und 20 Prozent.  Insgesamt trägt der HA jedoch dazu bei, dass Heizungsanlagen effizienter arbeiten und langfristig weniger Kosten verursachen.

Bild: Grundfos Deutschland

Der hydraulische Abgleich in der Praxis

Die Durchführung des HAs beginnt mit der Erfassung der notwendigen Daten. Um die maximale Wirkung des HAs zu erzielen, müssen viele Faktoren und Daten berücksichtigt werden, wie unter anderem Raumgröße, Wandflächen, Wärmeleistung der Heizkörper, Entfernung der Heizkörper zur Pumpe oder Durchflussmenge der Pumpe. Anhand dieser Informationen wird dann der Heizbedarf der einzelnen Räume berechnet. Im Anschluss werden die errechneten Werte mit der tatsächlichen Heizlast der Heizkörper abgeglichen. Das heißt es wird für jeden Heizkörper die Wassermenge berechnet, die durch ihn fließen muss. Die Berechnungsformel hängt ebenfalls von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Größe des Heizkörpers, der Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf, dem hydraulischen Widerstand des Heizkörpers und der maximalen Durchflussmenge. Eine gängige Methode ist deshalb die Verwendung von speziellen Berechnungsprogrammen, die die relevanten Daten und Faktoren automatisch berücksichtigen. Wenn alle notwendigen Daten zur Verfügung stehen, können die Ventile an den Heizkörpern bei Bedarf ausgetauscht und entsprechend der berechneten Wassermengen eingestellt werden.

Herausforderungen und innovative Lösungswege

Dieser Prozess lässt sich mit modernen Lösungen deutlich vereinfachen. Mit einer entsprechenden App, die sich mühelos auf jedes Smartphone oder Tablet herunterladen lässt, können Installateure den Abgleich deutlich leichter durchführen. Die App führt den Anwender dabei Schritt für Schritt durch den Prozess. So ermöglicht beispielsweise die kompakte Umwälzpumpen Alpha 2 und Magna 3 von Grundfos in Verbindung mit dem ALPHA Reader und der App Grundfos GO Balance die Durchführung des hydraulischen Abgleichs in nur wenigen Stunden. Der Reader muss lediglich an der Pumpe befestigt und eingeschaltet werden, um die Echtzeitdaten über den Durchfluss an die App zu übertragen. Diese berechnet dann automatisch, wie die Heizungsanlage korrekt eingestellt werden muss. Sobald die Anlage hydraulisch abgeglichen ist, wird automatisch ein Bericht erstellt, den Installateure direkt über die App speichern und per E-Mail versenden können. 

Martin Palsa (Bild: Grundfos Deutschland)

Das Bewusstsein muss sich ändern

Der Großteil aller deutschen Heizungsanlagen ist bislang noch unzureichend abgeglichen. Daher besteht in Deutschland weiterhin viel ungenutztes Potenzial. Durch mehr Aufklärung kann über die Vorteile niedriginvestiver Maßnahmen, wie den Austausch von Umwälzpumpen oder den hydraulischen Abgleich, ein Bewusstsein für die Effizienz einfacher Mittel geschaffen und damit ein wichtiger Beitrag zur Energiewende geleistet werden, die Deutschland noch längere Zeit beschäftigen wird.