Artikel

Zehn Jahre Bioenergiedorf: Jühnde 2.0 wird flexibler

Autorin/Redakteur: Nicole Paul, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)/gg

Jühnde war das erste Bioenergiedorf in Deutschland, das seine Stromerzeugung und seine Wärmeversorgung mit starker Bürgerbeteiligung auf die Basis von lokal und regional erzeugten nachwachsenden Rohstoffen umstellte. Nach zehn Jahren wappnet es sich nun für die Post-EEG-Zeit.

Vor zehn Jahren hatte die Bioenergiedorf Jühnde eG in dem 770-Einwohner-Ort bei Göttingen ein 5,5-Kilometer-langes Nahwärmenetz verlegt sowie eine Biogasanlage und eine Hackschnitzelheizung in Betrieb genommen. In der Genossenschaft sind alle 144 Wärmeabnehmer, alle im Ort ansässigen Landwirte, die Gemeinde und die Kirche Mitglied. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hatte das damals einmalige Projekt über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) mit insgesamt 2,7 Millionen Euro inklusive einer wissenschaftlichen Begleitforschung gefördert. Heute gibt es mindestens 120 realisierte Bioenergiedörfer in Deutschland sowie zahlreiche weitere Orte auf dem Weg dorthin.

Herausforderung EEG-Ende

Derzeit erhält die Jühnder Biogasanlage 21 Cent für jede erzeugte Kilowattstunde Strom, geregelt durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2004. Bei einer jährlichen Produktion von fünf Millionen kWh Strom ist dies der größte Einnahme-Posten der Genossenschaft. Doch die Laufzeit für EEG-Anlagen ist auf 20 Jahre beschränkt, das Kraftwerk muss in zehn Jahren wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen. Deshalb haben die Jühnder 2015 ein umfangreiches Paket zur Modernisierung der Anlage beschlossen. Eine positive Wirtschaftlichkeitsberechnung konnte die rund 190 Genossen von der Drei-Millionen-Euro-Investition zu überzeugen. Die Gemeinde Jühnde war als Mitglied der Genossenschaft von Anfang an offen für die Pläne. Nicht zuletzt dank ihrer Ausfallbürgschaft und aufgrund aktuell niedriger Zinsen war eine attraktive Finanzierung durch die regionale VR-Bank möglich.

Die Rolle von Gemeinde und Landkreis

Dass Gemeinden an Bioenergiedorf-Gesellschaften beteiligt sind, ist nichts Ungewöhnliches und in der Regel förderlich für die Akzeptanz der Projekte. Ihre Motive sind klar: Viele Aufgaben der Daseinsvorsorge sind aufgrund knapper Kassen einfacher zusammen mit den Bürgern und Bürgerinnen zu bewältigen. Und Gemeinden profitieren selbst von langfristig sicheren Wärmepreisen, steigender regionaler Wertschöpfung und praktiziertem Klimaschutz.

Eine wichtige Rolle spielt die öffentliche Verwaltung auf Amts- oder Kreisebene. Sie kann zwar aufgrund begrenzter Ressourcen nur bedingt treibende Kraft sein, entscheidet aber letztendlich als Fach-, Rechts- und Finanzaufsicht über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Auch Landkreise sind häufig (Mit-)Initiator und Unterstützer von Bioenergiedorf-Initiativen. So hat der Landkreis Göttingen im Rahmen eines LEADER-Projektes vier Bioenergiedörfer gefördert.

Jühnde 2.0: “Flexibel wärmegeführt in die Zukunft”

Auch in Jühnde lässt sich die Effizienz noch steigern. Wie in anderen Bioenergiedörfern auch, wurden in den Anfangsjahren großzügige Reserven eingeplant – die Wärmeversorgung sollte auch an den kältesten Wintertagen 100-prozentig funktionieren. Deshalb steht in Jühnde ein Spitzenlastkessel auf Heizölbasis mit 1600 Kilowatt Leistung. Die Biogasanlage erzeugt bis heute möglichst unter Volllast ganzjährig rund um die Uhr Strom. Die Wärme entsteht quasi als Nebenprodukt, man spricht von einer stromgeführten Anlage. Da das Nebenprodukt Wärme aber trotzdem in ähnlich großer Menge wie der Strom anfällt und im Sommer zum Teil weggekühlt werden muss, ist die Anlageneffizienz zwangsläufig mangelhaft.

Hier setzt ‘Jühnde 2.0’ an. Künftig soll die Biogasanlage wärme- statt stromgeführt, also an den lokalen Wärmebedarf angepasst betrieben werden und folglich im Sommer mit geringerer Leistung laufen. Zwei neue Wärmespeicher sorgen dafür, dass es genügend warmes Wasser für die Sommermonate und an besonders kalten Tage gibt und der Heizölkessel stillgelegt werden kann. Um zirka 30 Prozent lässt sich der Wärmenutzungsgrad so steigern. Außerdem soll der Strom künftig nicht mehr kontinuierlich ins Netz fließen, sondern dann, wenn die Nachfrage besonders hoch ist, zum Beispiel zu windstillen oder sonnenarmen Zeiten. Die Fähigkeit zur flexiblen und bedarfsgerechten Produktion ist der große Vorzug der Bioenergie gegenüber anderen erneuerbaren Energien. Die Strombörse honoriert Strom zu Zeiten hoher Nachfrage mit deutlich höheren Preisen und das EEG gewährt zusätzlich eine Flexibilitätsprämie. Die Jühnder rechnen dadurch mit Zusatzerlösen von rund 150.000 Euro pro Jahr. Zu den weiteren Bausteinen des Effizienzkonzeptes gehört unter anderem ein ORC -Modul, das die Wärme der BHKW-Abgase zur Verstromung nutzt. Damit soll der elektrische Wirkungsgrad um rund 14 Prozent steigen.